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Gemeinsam vorankommen: das „Wir-Gefühl“ stärken

TGT® Redaktion


🍀 Uelzener-Tipp von Peter Kreinberg


Wer wünscht sich das nicht – ein gelassenes, motiviertes Pferd, auf das Verlass ist. Ob im Sattel oder im Umgang am Boden, eine harmonische Partnerschaft kann sich nur entwickeln, wenn sich beide Partner wohl fühlen. Und um sich wohl fühlen zu können, muss man sich vor allem sicher fühlen. Dieses wichtige Sicherheitsgefühl ist nicht selbstverständlich, es muss sich bei Reiter*in und Pferd erst einmal entwickeln, damit beide mögliche Schrecksituationen souverän bewältigen können.




Gute Erfahrungen stärken das Selbstvertrauen


Da Pferde als Fluchttiere einen sehr starten Selbstschutzinstinkt haben, reagieren sie auf unbekannte Eindrücke schreckhaft und mit Meideverhalten. Oft reicht schon eine solche Begebenheit, um einen nachhaltigen negativen Eindruck zu hinterlassen und kann sogar zu einer dauerhaften und oft diffusen Schreckhaftigkeit führen.



Ein sinnvolles Vorbereitungstraining zur rechten Zeit kann solchen negativen Entwicklungen vorbeugen. Es kann von jeder Pferdebesitzerin oder jedem Besitzer auch selbst mussdurchgeführt werden und ist nicht sehr aufwendig.


Die Natur hat jedem Pferd ein entsprechendes instinktives Lernverhalten mitgegeben – den natürlichen Erkundungstrieb. Pferde haben ein starkes Interesse, Unbekanntes oder Ungewohntes zu überprüfen, um herauszufinden, ob es gefährlich ist oder nicht. In einem Herdenverband geschieht das häufig interaktiv im Zusammenspiel mit erfahreneren Herdenpartner, die ein gewisses Sicherheitsgefühl vermitteln.


Haben sie dann die Erfahrung gemacht, dass bestimmte Situationen keine unangenehmen Auswirkungen für sie hatten, so werden die zukünftig auch im Alleingang souverän und angstfrei bewältigt. Das Selbstvertrauen und das Sicherheitsgefühlt wurde gestärkt.


Die Aufmerksamkeit gewinnen


In der Mensch-Pferd Beziehung können wir uns diesen Umstand zunutze machen und ähnliche Lernszenarien gestalten, in denen wir als souveräner Herdenpartner agieren.

In einer dafür zweckmäßigen Bodenarbeit mit Hafter und Leitseil lassen sich solche Lernsituationen am besten umsetzen.


Damit die zu einem guten Ergebnis führen, ist nur etwas Planung, eine entsprechende Vorbereitung und das Befolgen einiger grundsätzlicher Regeln nötig.


Im ersten Schritt sind einige Trainingseinheiten eines kontrollierten Führtrainings notwendig, damit die Verständigung und die Kontrolle am Halfter in Normalsituationen eingeübt sind.

In dieser Phase sollte das Pferd gelernt haben, mit seiner Aufmerksamkeit stets während des Führens beim Führenden zu bleiben oder nach kurzer Ablenkung wieder zu ihm zurückzukehren.


Wir erreichen das, indem wir mit freundlichen aber bestimmten Halftersignalen Richtungs- oder Tempowechsel ankündigen und durchführen. Wichtig ist dabei, nicht am Führseil zu ziehen oder gegen den Pferdekörper zu drücken, sondern stets mit Impulsen zu arbeiten und selbst entsprechen Richtung und Tempo immer wieder beliebig zu wechseln. Zick-Zack-Gehen, Anhalten, Rückwärts- oder Seitwärtstritte sollten sich abwechseln. Alsbald wird uns das Pferd seine ganze Aufmerksamkeit geben, um rechtzeitig zu erkennen, wohin wir gehen wollen.


Sehr bald haben wir automatisch durch unser entschlossenes Agieren die „Entscheidungshoheit“ und werden zu „Agierenden“, während das Pferd in die Rolle des „Reagierenden“ rutscht.


Je besser wir durch Halftersignale und entsprechend eindeutige Körpersignale eine Veränderung jeweils ankündigen, desto schneller beginnt unser Pferd, sich an uns zu orientieren, unsere Zeichensprache zu verstehen und darauf immer williger und aufmerksamer zu reagieren.


So entsteht ein WIR-Gefühl zwischen uns. Wir werden zum wichtigen Sozialpartner, der wahrgenommen wird und mit dem ein stetiger „Gedanken- und Gefühlsaustausch“ stattfindet, wie es zwischen Herdenmitgliedern auch der Fall ist. Und wir sind ein Herdenpartner, der die „Führung“ übernimmt, der sich unser Pferd auch gern anvertraut.


Die Bereitschaft, beim Führen in einem dauerhaften Verständigungsdialog mit uns zu bleiben, erkennen wir daran, dass unser Pferd die ganze Zeit mit einem Auge und einem Ohr - dem auf unserer Seite – bei uns ist. Dies sollte auf beiden Seiten, also auch auf der rechten Seite führend erarbeitet werden.

 

Gemeinsam schaffen wir das


Wir sind also inzwischen miteinander im ständigen „gefühlten Dialog“ verbunden und es ist ein gemeinsames „WIR-Gefühl“ entstanden – das bedeutet auch, dass wir uns gegenseitig Vertrauen können, da wir uns verständigen und miteinander abstimmen.


Geht unser Pferd locker und entspannt neben uns, so führen wir es auf dem eingezäunten Reitplatz in die Nähe des ungewohnten Objekts.

 

Nun können wir uns daran machen, unbekannte oder ungewohnte Situationen gemeinsam zu bewältigen. Dies sollte natürlich nur auf einem eingezäunten Übungsbereich geschehen.

Dabei geben wir dezente Anleitung und eventuell auch Hilfestellung, ohne irgendeinen Zwang auszuüben. Vielmehr gestalten wir die Situation so, dass die Neugierde – der Erkundungstrieb – des Pferdes angeregt wird und leiten es über unsere Signalgebung dabei an.

 

Hier im Beispiel ist es ein Gymnastikball, den wir nutzen.  Wir alle wissen, dass ein Pferd skeptische bis schreckhaft reagiert, wenn sich auf dem Reitplatz plötzlich ein fremdartiger Gegenstand befindet. Sein Selbstschutzreflex wird aktiviert: Unbekanntes kann gefährlich sein!


Unser Pferd wir also stutzen, sich etwas verspannen und eventuell wegdrängeln, wenn auf seinem „gewohnten Reitplatz“ plötzlich dieser Fremdkörper platziert ist.


Wir machen nun als ersten Lernschritt unsere gewohnten Führübungen in einiger Entfernung vom Objekt. Wir holen uns mit entsprechenden Halfterimpulsen immer wieder „ein Auge und ein Ohr“ und sei es nur für kurze Moment.


Bleibt seine Aufmerksamkeit wieder etwas länger bei uns, führen wir es auf Linien deutlich näher am Objekt und holen uns immer wieder seine Aufmerksamkeit, bis es wieder „Bei uns ist“ und sich entspannt.


Nun gehen wir ruhig in gerader Linie in Richtung des Objekts und beobachten unser Pferd genau. Solange es Interesse zeigt und sich dem Objekt ohne Zögern nähert, gehen wir bewusst entspannt aber zielstrebig nebenher. Sollte es stutzen, so halten wir auch an, ermuntern es aber mit einer sehr, sehr dezenten Signalgebung, noch einen Schritt näher zu gehen. Wir dürfen dabei keine Unsicherheit oder Rückwärtsorientiertheit ausstrahlen, sondern Ruhe und Zuversicht. Ist das Interesse geweckt, so wird der Erkundungstrieb des Pferdes geweckt und im Hilfen-Dialog von uns kontrolliert unterstützt.


Sobald es so nah herangetreten ist, dass es den Ball mit Nase berühren kann, lassen es wir es kurz – aber wirklich nur für ein bis zwei Sekunden – schnuppern, und holen uns seine Aufmerksamkeit wieder. Das kann zwei bis drei Mal wiederholt werden. Dann stoßen wir den Ball vorsichtig mit einem Fuß an, so dass er langsam vom Pferd wegrollt. Das Pferd wird ihm nachschauen und eventuell nachgehen. Sollte es stehen bleiben, so animieren wir es, wieder zum Ball hinzugehen. Das wiederholen wir einige Male, bis es beginnt, dem Ball interessiert zu folgen.



Beginnt das Pferd, dem Ball zu folgen, so befriedigt das seinen Erkundungstrieb und stärkt sein Selbstvertrauen, da das unbekannte oder ursprünglich ängstigende Objekt sich jetzt von ihm entfernt – „wegläuft“.


Wir können Probleme lösen und das macht uns Spaß


Nach einigen Wiederholungen, vielleicht auch erst nach zwei oder drei Trainingseinheiten wird es beginnen, den Ball mit einem Huf anzustoßen, das gehört neben dem Beschnuppern auch zum Erkundungsritual. Da der Ball leicht ist, wird er sofort wegrollen. Wir folgen ihm wieder und animieren unser Pferd nun, ihm immer wieder mit dem Huf einen Stubs zu geben. Sehr bald wird es den „Dreh raus haben“ und ihn mit dem einen oder auch anderen Vorderhuf „vor sich her treiben“. Dies gibt ihm ein gewisses „Erfolgserlebnis“ und stärkt sein Selbstbewusstsein noch stärker. Durch gefühlvolle Impulse und entsprechende Körpersignale Geben wir ihm dabei Anleitung, in welche Richtung wir uns dabei bewegen und wann es warten und wann es agieren soll – wir bleiben im Dialog und führen die „Aufgabe“ gemeinsam durch.


Beginnt das Pferd, den Ball mit dem einen oder auch anderen Vorderhuf „vor sich her zu treiben“, so gibt ihm das  ein gewisses „Erfolgserlebnis“ und stärkt sein Selbstvertrauen noch stärker.


Diese Übung kann man nun auch vom Sattel aus fortsetzen, einerseits spielerisch, aber trotzdem immer von uns angeleitet und kontrolliert im steten Dialog der Hilfen.

Wichtig ist bei dieser Übung, das wir das Ganze nicht als das Einüben eines „Zirkustricks“ verstehen, das ginge natürlich auch, besonders, wenn dabei auch noch mit „Leckerli-Konditionierung“ geübt würde.


Der Sinn der Übungsreihe ist, mit dem Pferd gemeinsam im Dialog kontrolliert und angeleitet eine „Aufgabe“ zu bewältigen. Dabei wird ein „Verhaltensmuster“ angelegt, dass zukünftig auch in anderen Situationen angewendet und eingeübt werden kann.


Jede denkbare „Problem- oder Schrecksituation“ wird dabei als eine „Aufgabe“ angesehen, die gemeinsam bewältigt wird.  Dabei wird zunächst immer die Aufmerksamkeit – ein Auge, ein Ohr“ sichergestellt, dann das Interesse auf die „Aufgabe“ gelenkt, um dann die Bereitschaft und den Erkundungstrieb in kleinen Schritten zu nutzen


Auf diese Weise vertiefen sich das gegenseitige Vertrauen und das Sicherheitsgefühl, das WIR-Gefühl wird mit jeder gemeinsam bewältigten Aufgabe gestärkt.









© Text: Peter Kreinberg; Fotos: RK / The Gentle Touch GmbH

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